KOLUMNE


Einfach Klasse - auch ohne Rasse?!
„Border Collies“ sind besonders gelehrig, „Huskys“ möchten am liebsten den ganzen Tag laufen und „Bernhardiner“ sind einfach ausgeglichen und entspannt: So hat jede Hunderasse sein eigenes Stereotyp. Folglich erscheint es logisch, dass man bei der Wahl des idealen Familienhundes auch auf einen „Golden Retriever“ zurückgreift. Oder etwa doch nicht? 

Von Patrice Krüger


Liebe Leser, was ich Ihnen zu Rassehunden und deren Beschreibung bzw. ihren angeblichen Charakterzüge sagen kann, beruht auf meinen jahrelangen Erfahrungen mit unterschiedlichsten Hunden aus unterschiedlichster Herkunft. Aus diesen Erfahrungen heraus kann ich Ihnen vorweg schon mal sagen: Wenn Sie sich einen bestimmten Rassehund auf Grund eines bestimmten Stereotyps (ausgeglichenes Verhalten, kinderfreundlich…) anschaffen, dann werden sie wahrscheinlich auch einen solchen bekommen.
Allerdings ist der Grund dafür nicht die Rasse des Hundes, wie Sie vielleicht vermutet haben, sondern ein viel banalerer: Sie selbst.
Denn für mich steht fest: Es gibt keine angeborenen Rassemerkmale im Verhalten von Hunden. Ein Mensch,  der sich vermeintlicher Weise einen Jagdhund oder einen Familienhund kauft, wird ihn von Anfang an auch als solchen behandeln und in sämtliche Verhaltensweisen das hinein interpretieren, was er gerne sehen möchte. 

Ich für meinen Teil mache Ihnen z.B. aus einem Bernersennenhund einen super Jäger, der im Wald regelmäßig „stiften geht“, und aus einem vermeintlich agilen Husky kreiere ich Ihnen einen Faulpelz sondergleichen. Letzteren Fall habe ich übrigens tatsächlich selbst zuhause: Eine Schäferhund-Husky-Mischlingshündin, die sehr bemüht ist, nicht einen Schritt mehr als nötig zu machen. Dafür zeichnet sich aber mein großer Broholmer-Ridgeback-Mix dadurch aus, dass er nicht besonders selbstbewusst ist und in neuen Situationen völlig unruhig und ängstlich wird.



Verhalten sich alles andere als "rassetypisch": Meine beiden Hunde ICE und NEVA.



Sprich: Meinen beiden Hunden fehlen wirklich alle sogenannten rassespezifische Merkmale, die einem Schäferhund, Husky, Ridgback oder Broholmer jemals nachgesagt worden sind! 

Ein etwas anderes Beispiel bietet mir täglich ein Golden-Redriver-Rüde von nebenan: Er ist eindeutig kein Familienhund, auch wenn das Stereotyp es sagt. Dieser Rüde ist sehr dominant und man sollte –laut Erzählungen der Besitzer- im Umgang mit Kindern sehr gewissenhaft auf ihn achten. Was ich Ihnen damit sagen möchte ist:
Es liegt ganz an Ihnen, was aus Ihrem Hund am Ende einmal wird, und nicht etwa an der Rasse!
Hunde können keine "schlauen" Bücher lesen, in denen ihre Rassemerkmale beschrieben stehen, und sich dann daran halten. Denn sie verhalten sich einfach ihrer Rangordnung entsprechend! Schauen Sie sich einmal die Vorfahren unserer Hunde an: Bei Wölfen wird die Rangordnung schon im Welpenalter von der Wolfsmutter festgelegt. Bei unsere domestizierten Hunde funktioniert es ganz ähnlich: Hier legen Sie die Rangordnung fest, und nicht etwa die Rasse. Wenn Sie also einen ruhigen, wenig dominanten Hund haben wollen, ist die Anschaffung eines Bernhardiners kein Garant dafür, dass er später auch unterwürfig und folgsam agiert. Und schon gar nicht sollten Sie sich darauf verlassen, den Welpen aus dem Wurf zu nehmen, der bei Ihrem ersten Besuch völlig ruhig und lässig in der Ecke sitzen bleibt, statt mit dem Rest der Bande auf Sie zuzurennen. Seine jetzige Inaktivität bedeutet nämlich nicht, dass Sie diesem Welpen nicht im Laufe der Jahre eine Dominanz "aus Versehen" unbewusst anerziehen bzw. gestatten werden! Am Ende ist jeder Hund, was Sie daraus machen. 


MEINE TIPPS:

Jedem, der sich überlegt einen Hund nach Hause zu holen, möchte ich zwei Dinge ans Herz legen:

1.    Lesen Sie mindestens ein Buch über Wölfe und deren ausgeprägte Sozialstruktur,
bevor Sie sich einen Hund anschaffen. Sie werden dann Ihren Hund besser verstehen können. Das besondere Sozialverhalten sichert den Wölfen das Überleben in der Wildnis, und lässt sich auch auf unsere domestizierten Hunde übertragen.
2.   Als Ersthund eignet sich am Besten ein Tier aus dem Tierheim. Im Tierheim haben Sie, bedingt durch eine leider sehr große Auswahl, die Möglichkeit, IHREN Hund zu finden. Denn hier sieht man die Charakterzüge des Hundes schon und Sie können besser bestimmen, ob Ihr neuer "Lebensgefährte" in ihr Leben passt.
     
Im Tierheim finden Sie viele Mischlinge, so wie meinen Broholmer-Ridgeback-Mix. Mischlinge haben viele Vorteile: Gesundheitstechnisch sind sie nicht so anfällig (Achtung Kostenfaktor!) und es sind stets Individuen mit eigenen Fellzeichnungen etc. 

Dazu kommt: Alle sich im Tierheim befindlichen Tiere haben diesen Zustand nicht verdient. Besonders liegen mir Hunde am Herzen, weil sie Rudeltiere sind, und das Tierheim diese Lebensform nicht hergibt. Das Rudel ist einem Hund wichtiger als alles andere auf der Welt, und deshalb leiden Hunde besonders unter den Umständen im Tierheim, ganz gleich wie gut es geführt ist.

Ein Tierheim kann niemals die Sicherheit ersetzen, die das Rudel bietet. 

Wenn Sie solch einem Hund geben, was er braucht, werden Sie nichts anderes mehr haben wollen. Denn nichts ist schöner, als zu sehen, wie sich dieses Tier dank Ihrer Fürsorge entwickelt und sich Ihnen zu 100% hingibt.



Liebe Leser, vielleicht teilt der eine oder andere von Ihnen bereits meine Auffassung oder hat schon einen Hund aus dem Tierheim, mit dem er durch dick und dünn geht – Ich freue mich über Ihre Kommentare in diesem BLOG.

Auch werden Sie sicher verstehen, dass wir durch unsere enge Zusammenarbeit mit Tierheimen eher darauf bedacht sind, Tiere von dort zu vermitteln. Vielleicht sehen Sie sich das Tierheim, welches für ihre Region zuständig fühlt, einmal an, oder schauen auf http://www.tierheim.aktiontier.org/ mal in unser aktion tier-Online-Tierheim: Viele tolle Hunde warten hier auf ein liebevolles Zuhause.

Bitte lesen Sie auch:

-       aktion tier „Haustiercheck“ (Flyer zum Downloaden)
http://www.aktiontier.org/uploadfiles/3_2337_fly_haust.pdf

-       Infos zum aktuellen Thema „Welpenhandel“ http://www.aktiontier.org/index.php?m=8&id=758
-       aktion tier Informationen zum Hund
http://www.aktiontier.org/index.php?m=8&sub=52&id=18& 


Unsere Kolumnistin Patrice Krüger arbeitet bereits seit 12 Jahren für aktion tier – menschen für Tiere e.V. und berät Menschen in Tierschutzfragen sowie zum Thema Hunde- und Katzenerziehung. Zusammen mit der blinden Katze „Emma“, der Schäferhund-Husky-Hündin „Neva“  und dem großen Broholmer-Ridgeback-Rüden „Ice“, den sie einst verhaltensauffällig und aus schwierigen Verhältnissen übernahm, lebt Patrice Krüger heute in Brandenburg. 

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Alles in allem ein sehr interessanter, informativer und spannender Artikel.
Bleibt nur zu hoffen, das der Inhalt des Beitrages in unserer Gesellschaft irgendwann wirklich verstanden wird.

LG aus Berlin
litwas

Anonym hat gesagt…

Habe auch einen Mischling zuhause, aus dem Tierheim. Er war total schreckhaft am Anfang. Wir habe es mit viel Geduld und Liebe hingekriegt, dass er heute ein entspannter Hund ist, und er dankt es uns wirklich. Ich glaube, man muss sich einfach auf jeden Hund so einstellen, wie er es braucht und nicht versuchen den Hund auf die eigenen Bedürfnisse hinzubiegen.

Mel

Anonym hat gesagt…

Ich kenne leider immer noch so viele Menschen die tierheimhunde für schlecht halten und sagen man wüsste nicht was man bekommt obwohl das dann eher an den Tierheimen liegt das manche Tierheimarbeiter die hunde/oder andere Tiere selber nicht genug kennen und dann einfach sagen "ja der ist ganz lieb..." ohne das sie mehr wissen oder auf mehr eingehen obwohl jedes Tier anders ist. Ich habe das bei einem tier aus dem Nürnberger Tierheim selbst so erlebt aber deswegen denke ich nicht schlecht über die Tiere im Tierheim. Ich würde nie ein Tier vom Züchter o.Ä. kaufen! denn ich möchte meine Freunde nicht kaufen !!!!!!

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